Was ist möglich, was ist richtig? Es ist keine leichte Entscheidung, vor der viele junge Menschen kurz vor Weihnachten stehen. Die Corona-Pandemie hat den Alltag verändert – Pläne wurden gemacht, geändert und wieder umgeworfen. Wie verbringen die Jungendlichen die Feiertage? Und wie blicken sie auf dieses besondere Weihnachtsfest?
Friederike: Alles kann gut werden
Dieses Weihnachten wird anders. Friederikes Mutter Ute arbeitet als Krankenpflegerin auf der Intensivstation. Sie wird wahrscheinlich am Heiligabend arbeiten müssen. Das ist für Friederike nichts Neues, ihre Mutter ist Weihnachten oft erst nachmittags von der Frühschicht nach Hause gekommen. Aber dieses Jahr sitzt sie wahrscheinlich erst um Mitternacht mit ihrer Familie unterm Weihnachtsbaum. Friederike sieht es pragmatisch, sie weiß, was für einen wichtigen Job ihre Mutter gerade macht: „Ach, wir essen einfach schon vorher und warten dann mit der Bescherung auf sie.“
Wir, das sind Friederike, ihr Stiefvater Michael und ihr Bruder Sebastian. Dass ihr Bruder kommt, freut sie ganz besonders. Die 19-Jährige holt ihn extra mit dem Auto aus Rostock ab, wegen Corona. Obwohl die beiden nicht zusammen aufgewachsen sind und sie 14 Jahre Altersunterschied trennen, haben sie eine besondere Verbindung. „Wir sind uns einfach wahnsinnig ähnlich und wir denken oft das Gleiche“, sagt Friederike. Beide seien eher introvertiert. Das merke man auch oft bei der Bescherung. „Wenn man Geschenke auspackt, wird ja immer so eine gewisse Reaktion erwartet“, sagt Friederike und muss ein bisschen schmunzeln. „Naja, und wir beide freuen uns eben eher innerlich.“
Weihnachten ist für Friederike sehr wichtig. Normalerweise geht sie mit ihrer Familie Heiligabend in die Kirche. Dieses Jahr wird sie Zuhause eine kleine Andacht vorbereiten. Sie will mit ihrer Familie ein paar Lieder singen, der Stiefvater wird sie auf der Gitarre begleiten. „Vielleicht bereite ich auch noch ein paar Worte vor“, sagt Friederike. Sie hat auch in Jugendgottesdiensten schon Andachten oder Abschlussgebete vorgetragen. Der Austausch innerhalb der jungen Gemeinde gibt ihr auch gerade während des Lockdowns viel Kraft. Seit Anfang November treffen sie sich einmal die Woche online oder tauschen sich über eine Whatsapp-Gruppe aus: „Manchmal schicken wir uns Smileys, um auszudrücken, wie es uns gerade geht. Oder Lieder.“
Aber nicht alles ist dieses Weihnachten anders. An Heiligabend gibt es, wie immer, Schlesisches. Friederikes Urgroßeltern kommen aus dem heutigen Polen, deshalb wird die Tradition aufrechterhalten. Es gibt eine Art Fischsalat, „Häckerle“ genannt, den Friederike nicht so lecker findet. „Aber es gehört für mich halt dazu.“ Dann gibt es noch einen Hühnersalat, Kartoffelsalat und Würstchen. Eigentlich ernährt Friederike sich seit zwei Jahren vegetarisch. Eine Ausnahme macht sie aber für den ersten Weihnachtstag: „Da gibt es Ente mit Rotkohl.“ Und noch etwas ist wie immer: Die Familie verbringt ganz viel Zeit zusammen, sie spielen zusammen Munchkin oder schauen Weihnachtsfilme. „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel oder den Grinch. Ich liebe einfach Märchen“, sagt Friederike.
Die Weihnachtsgeschichte liest sich auch fast wie ein Märchen. Die Geschichte von Jesus‘ Geburt erinnert Friederike jedes Jahr daran, dass alles gut werden kann, egal wie schlimm die Situation gerade auch sein mag. Aber sie erinnert Friederike auch an die Nächstenliebe: Nicht voreingenommen auf Menschen zugehen, sondern offen zu bleiben und nett zueinander zu sein. „Es gibt einen Unterschied zwischen ‚eine Meinung zu etwas haben‘ und zu schnell über Menschen urteilen. Das vergisst man oft.“
Weihnachten im kleinen Kreis bei Paul
Paul Purps freut sich schon richtig auf Weihnachten. „Ich werde den Heiligen Abend zuhause mit meiner Familie verbringen“, sagt der 17-Jährige aus Jahnberge im Havelland. Die grassierende Corona-Pandemie schränkt die Purps bei ihrer Weihnachtsfeier nicht besonders ein. „Wir feiern immer nur in ganz kleinem Kreis“, sagt er.
Ein frühes Weihnachtsgeschenk für Stanley
Sonnenschein, 20 Grad und ein Kreuzfahrtschiff: Fast hätte Stanleys Weihnachten so ausgesehen. Insgesamt verbrachte er im Dezember 15 Tage auf der „AIDAperla“ und schipperte auf ihr durch Spanien. Die Reiseroute führte ihn unter anderem nach Gran Canaria und Fuerteventura. Lange habe er überlegt, ob er seine Reise verlängern und auch über Weihnachten auf dem Schiff bleiben solle.
Zwei Silvesterfeiern hat er auf einem Kreuzfahrtschiff schon erlebt. Nun sollte es das erste Weihnachten auf einem der riesen Dampfer werden. Doch entschied sich Stanley letztlich auch wegen der Corona-Pandemie dagegen. „Dieses Weihnachten ist eh alles anders. Und aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, sagt er. Richtige Weihnachtsstimmung käme aktuell sowieso nicht auf. Den Wunsch werde er sich aber in Zukunft noch erfüllen.
Stattdessen werde er Heiligabend mit seiner Oma und seinem Opa verbringen. Er freut sich sehr, nach der Reise nun wieder zu Hause bei der Familie sein zu können. Was es zu Essen gibt, weiß er noch nicht. „Aber ich lasse mich gerne überraschen“, sagt er. Um ihnen eine Freude zu machen, ist sein Weihnachtsgeschenk etwas Selbstgebasteltes – was genau es ist, verrät er nicht.
Freuen kann Stanley sich aber auch selbst. Denn ein Geschenk hat er vor Weihnachten schon erhalten: Seinen neuen Ausbildungsplatz für 2021. Ab März wird er bei der Berufsfeuerwehr in Berlin seine vierjährige Ausbildung beginnen. Die positive Nachricht kam kurz vor Jahresende. Auch deshalb sei das Corona-Jahr für ihn persönlich kein schlechtes gewesen. Und einen Weihnachtswunsch hat er auch: „Mehr Menschlichkeit in der Gesellschaft, gerade in schweren Zeiten. Und natürlich ein schnelles Ende der Pandemie.“
Ireen: Die Familie entscheidet kurz vorher
Ireen Beyer macht sich nicht viel aus Weihnachten. „Mir persönlich ist das nicht so wichtig. Ich wurde nicht christlich erzogen und seit einigen Jahren ist Weihnachten mit dem Tod meiner Oma verbunden“, sagt die 19-Jährige. Seit ihre Großmutter kurz nach Weihnachten 2010 gestorben ist, liegt für Ireen ein Schatten über dem Fest. Besinnlichkeit und Einkehr in der Weihnachtszeit sind für sie oft nur bröckelige Fassade. „Meistens ist es doch mehr Stress als alles andere.“
Ihre Pläne für das Weihnachtsfest stehen noch nicht fest. Besonders wichtig ist es ihr jedoch ihren Opa zu sehen, damit er nicht allein feiern muss. Das Geschenk für ihren Opa hat sie bereits: Einen Familien-Fotokalender und einen großen Vorrat an Vogelfutter. „Mein Opa füttert leidenschaftlich gern Vögel.“ Sie könne sich auch vorstellen, ihn per Videokonferenz dazu zu schalten. Kurz vor Weihnachten will sie mit ihrer Familie darüber beraten. Für sie ist klar: „Mein Opa hat das letzte Wort.“ Am zweiten Weihnachtsfeiertag besucht sie zusammen mit ihrem Freund Alex dessen Großmutter.
Ireen blickt den Feiertagen in diesem Jahr gelassener als sonst entgegen. Weil die Besuche bei Verwandten ausfallen, hat sie in diesem Jahr mehr Zeit für sich. Traurig ist sie deswegen jedoch nicht: „Die vergangenen Monate haben doch gezeigt, dass wir nicht auf Feiertage beschränkt sind, aneinander zu denken.“
Damit der Weihnachtsabend möglichst ohne Ansteckung abläuft, versucht Ireen in den Tagen vor dem Fest sich so gut es geht zu isolieren. Das funktioniert allerdings nur begrenzt: Seit knapp einem Jahr arbeitet sie als studentische Aushilfe in einer Tierarztpraxis in Berlin-Neukölln. „Natürlich bin ich sehr vorsichtig“, sagt sie, „aber ich habe jeden Tag Kontakt mit Menschen, das lässt sich gar nicht vermeiden.“
Ireen blickt den Feiertagen entspannter als sonst entgegen. Weil die Besuche bei Verwandten ausfallen, hat sie in diesem Jahr mehr Zeit für sich. Traurig ist sie deswegen jedoch nicht: „Die vergangenen Monate haben doch gezeigt, dass wir nicht auf Feiertage beschränkt sind, aneinander zu denken.“
Von Johanna Apelt, Lena Köpsell, Steve Reutter, Jérôme Lombard und Feliks Todtmann