„Die Natur braucht den Menschen nicht“

Friederike Kupka träumt von einer Welt, in der jeder nur ein Glas Müll produziert. Um umweltbewusster und gesünder zu leben, verzichtet die 17-Jährige auf Shampoo, Deo und Fast Food. Was treibt sie an?

Roggenmehl, Apfelessig und Wasser. Mehr braucht Friederike Kupka nicht, um sich die Haare zu waschen. Alle vier Tage vermischt sie etwas Mehl mit Wasser und massiert die Lösung in ihr langes blondes Haar. Die Rückstände spült sie mit reichlich verdünntem Apfelessig aus, das entgiftet die Kopfhaut. Dann einfach trocknen lassen, fertig. Einen Föhn benutzt Friederike nicht. „Riecht nach nichts“, sagt sie und schnuppert an einer Haarsträhne.

Seit den Herbstferien verzichtet die 17-Jährige auf konventionelles Shampoo aus Plastikflaschen. Es ist eine von vielen Umstellungen, die Friederike für ein gesünderes und umweltfreundlicheres Leben in Kauf nimmt.

Im Dezember könnte der Kontrast zwischen der Luckenwalderin und der Gesamtgesellschaft kaum größer sein: Während andere Menschen Weihnachtsgeschenke und tonnenweise Verpackungsmüll anhäufen, übt sich die Schülerin im Verzicht.

Jede Menge Müll

Früher habe sie eine Reihe von industriell gefertigten Kosmetika benutzt, so wie fast jedes andere Mädchen in ihrem Alter. Shampoo, Conditioner, Duschgel, Bodyspray, Cremes, Deo, Make-Up. Im Badezimmerschrank reihte sich Plastikverpackung an Plastikverpackung, jede Menge Müll.

Wenn sie von ihrem alten Leben erzählt, errötet sie ein wenig, als schämte sie sich dafür, so gelebt und konsumiert zu haben wie Millionen andere Menschen in Deutschland.

„Dann habe ich mir noch jeden Morgen die Haare gewaschen, geföhnt und sogar geglättet“, erzählt sie kopfschüttelnd. „Jeden Morgen!“. Eine Stunde lang habe diese Prozedur gedauert.

Durch Youtube zu mehr Nachhaltigkeit

Damit ist seit Mitte Oktober Schluss. Ausschlaggebend war ein wissenschaftlicher YouTube-Kanal, auf den Friederike zufällig stieß. In kompakten, leicht verständlichen Videos erklärt eine junge Chemikerin, was Zusatzstoffe in Kosmetikprodukten mit unserem Körper machen.
Friederike saß stundenlang vor ihrem Rechner und klickte sich weiter durch das Videoportal. Irgendwann landet sie auf dem Kanal von „Pia Kraftfutter“.

Pias selbsterklärte Themenschwerpunkte sind: „Vegane Rezepte, friedliche Gedanken und ganz viel Liebe (:“.
Die sympathische, leicht aufgedrehte YouTuberin erklärt ihren knapp 72.000 Abonnenten Folge für Folge, wie sie selber Deo, Hautcreme oder Conditioner herstellen können – ganz ohne chemische Zusatzstoffe. Schonend für den Körper, schonend für die Gesundheit. Friederikes Neugier war geweckt.

„Am besten wäre es, nur ein Glas Müll im Monat zu produzieren.“
-Friederike Kupka

Auch die Roggenmehl-Variante hat Pia im Selbstversuch vor der Kamera getestet. Friederike sah das Video und tat es ihrem Vorbild gleich. „Das erste Mal hat es nicht so gut geklappt“, erzählt sie und hält eine Haarsträhne hoch. „Alles voller kleiner Klümpchen.“
Das Mehl sei einfach nicht mehr richtig rausgegangen. Sie feilte so lange an dem Mengenverhältnis, bis keine Mehlklumpen mehr in ihrem Haar hingen. Das Ergebnis gefiel ihr. „Am Anfang war es echt schwierig. Aber meine Haare sind jetzt ganz weich“, sagt Friederike.

Das Experiment mit Roggenmehl

Ab da war für die Schülerin klar, dass sie ihr Konsumverhalten umstellen will. Was sie dazu bewegt hat, liege auf der Hand: „Der gesunde Menschenverstand“, erklärt Friederike und lächelt. „Und meine eigene Gesundheit.“ Wenn sie von ihrem neuen Leben erzählt, spricht sie leise, aber bestimmt.

YouTuber wie Pia Kraftfutter spornten die Schülerin dazu an, überflüssigen Müll zu erkennen und Stück für Stück aus ihrem Leben zu verbannen. Die angebrochenen Kosmetika braucht Friederike noch auf, neue Produkte kauft sie nicht mehr.

Dafür mischt die 17-Jährige immer mehr Pflegeprodukte selbst. In der Kühlschranktür lagert jetzt ein kleines Fläschchen mit Leinsamengel. Der erdfarbene Schleim aus Leinsamen und Olivenöl riecht frisch und ein bisschen nach Heu und Oliven. „Das ist mein Conditioner“, sagt Friederike und riecht noch einmal an dem Fläschchen. „Riecht eigentlich total neutral.“

Die Reihe ließe sich immer weiter fortsetzen. Zur Hautpflege dient eine Mischung aus Kokosöl, Natron und Salz. Statt einzeln in Plastik verpackten Tampons ist Friederike auf eine Menstruationstasse umgestiegen. „Das spart Müll und Geld“, sagt sie. Ständig grübelt sie darüber, wo sie noch Verpackungsmüll einsparen könnte. Die Plastikflaschen im Haus wichen Glasflaschen. Weihnachtsgeschenke verpackt Friederike in Zeitungspapier.

Das Ziel: nur ein Glas Müll im Monat

„Am besten wäre es, nur ein Glas Müll im Monat zu produzieren“, findet die 17-Jährige. Missionieren möchte sie niemanden, aber auf die Unterstützung ihrer Freunde kann sie zählen. Ihre Mutter wolle Friederike noch ein bisschen mehr an das Thema heranführen: Im Frühjahr versuchen die beiden, ätherische Öle aus den Kräutern im Garten zu gewinnen.

„Ich habe Hoffnung, dass alle mal darüber nachdenken und zumindest einen Schritt in die richtige Richtung machen“, sagt sie. „Der Mensch braucht die Natur, aber die Natur braucht den Menschen nicht, so einfach ist das.“ Friederike wünscht sich, dass ihre Nachfahren noch etwas von der Welt haben, wie wir sie kennen. Ihren eigenen Beitrag dazu leistet sie schon.

Von Hannah Rüdiger