Ohne Tiere
Vor zwei Jahren hat sich Luisa Lieske dazu entschieden, auf tierische Lebensmittel komplett zu verzichten. Seither lebt sie vegan und isst viel frisches Gemüse. Ihre Entscheidung kam nicht bei allen Menschen in ihrem Umfeld gut an.

Es brutzelt. Und es riecht nach Tofu in heißem Fett. Luisa rührt in der Pfanne und wendet sich gleich danach dem Gemüse zu. Sie macht Sommerrollen. Das ist ein Fingerfood aus Vietnam. Es besteht aus durchsichtigem Reispapier, in das reichlich frisches Gemüse und Glasnudeln gewickelt ist – und ihrem Falle von Luisas Rollen auch Tofu. „Man muss es fest einwickeln, aber trotzdem vorsichtig sein, weil das Papier leicht reißt“, sagt sie später, als es dann um die Umsetzung geht. Und tatsächlich: Die erste von insgesamt fünf Sommerrollen sieht einigermaßen zerfleddert aus. „Einige Versuche braucht es jedes Mal.“ Am Ende kommt noch Erdnusssoße auf die Rolle.
Sommerrollen sind vegan. Das ist natürlich kein Zufall. Sie sind eine von Luisas Lieblingsspeisen. Eine von vielen veganen Lieblingsspeisen. Luisa ernährt sich seit zwei Jahren fast ausschließlich vegan. „Ich esse selten mal ein Ei, aber auch nur, wenn es vom lokalen Bauern kommt“, beschreibt sie die einzige Ausnahme in ihrer Ernährung.
„Ich kann mir auch inzwischen nicht mehr vorstellen, ein Tier für meinen Konsum umzubringen.“
-Luisa Lieske
Sie lernte Leute kennen, die ohne jegliche tierische Erzeugnisse leben. Das war vor über zwei Jahren. Mittlerweile sind sie Freunde. Luisa kam mit ihnen ins Gespräch über das Thema. „In der Zeit habe ich mich aber auch viel selbst informiert“, sagt sie. „Ich hatte nun Leute in meinem Umfeld, die vegan leben, und da dachte ich, ich könnte das an sich ja auch mal ausprobieren.“
Sie diskutierten darüber, was ihre vegane Lebensweise für die Tiere und die Umwelt bedeutet. „Und auch für unsere Gesundheit. Das stand für mich damals noch nicht so im Vordergrund“, sagt Luisa. „Für mich war es eher der ethische Gedanke, der mich dazu bewegt hat, meine Ernährung umzustellen.“
Sie begann, sich zunächst pescetarisch zu ernähren. Das heißt, sie ließ Fleisch weg, aß aber noch Fisch. Dann verzichtete sie auch darauf und irgendwann nach und nach auf Milchprodukte. „Ich glaube, ich habe mit Butter angefangen“, erinnert sie sich. Mittlerweile isst sie nur noch die Eier vom lokalen Bauer. „Aber das auch nur sehr, sehr wenig.“
Das tue sie nur, weil sie wisse, dass die Tiere dort gut leben, sagt sie. „Und das ist für mich auch immer noch der Hauptgrund, warum ich vegan lebe. Mich stören viele Sachen an der aktuellen konventionellen Tierhaltung. Ich kann mir auch inzwischen nicht mehr vorstellen, ein Tier für meinen Konsum umzubringen.“ Natürlich bringe nicht jeder Mensch das Tier um, dessen Fleisch er isst, aber, so sagt sie, bringe der Mensch durch seinen Fleischkonsum das Tier indirekt um. „Und für mich gibt es da keinen Unterschied.“

Luisa wünscht sich indes, dass die Menschen ihre Ernährung respektieren. „Genauso, wie ich es respektiere, wenn jemand Fleisch ist. Es ist einfach jedem selbst überlassen.“
Aus ihrem Umfeld kommen dazu unterschiedliche Reaktionen. Manchmal bekomme sie Witze, von denen sie wisse, dass sie nicht böse gemeint seien. „Sowas bekommt wohl jeder ab, der sich ein bisschen anders verhält, anders ernährt oder anders kleidet“, sagt sie.
Auch ihr Vater isst nun weniger Fleisch – vielleicht dank Luisa
Häufig bekomme sie aber auch positive und erstaunte Reaktionen. Dann kommen Fragen und Sätze wie: ‚Wie machst du das? Ich könnte mir das selbst gar nicht vorstellen‘.
Und sehr selten hört sie abwertende Äußerungen. „Das sind dann Menschen, die ihr Leben lang Fleisch gegessen haben, inzwischen 70 oder 80 Jahre alt sind und es sich überhaupt nicht vorstellen könnten, darauf zu verzichten. Und auch keinen Grund dafür sehen, vegan zu leben.“
Ihre Eltern seien sehr offen für Luisas vegane Ernährung, sagt sie.
„Mein Vater hatte am Anfang zwar Bedenken, wegen Mangelernährung. Aber ich konnte ihm relativ schnell zeigen, dass man durch zusätzliches Vitamin, vor allem B12, ganz normal und auch gesund leben kann.“ Wenn sie erkältet war, hatte er ihr trotzdem hin und wieder gesagt, sie soll ein Stück Fleisch essen. Mittlerweile hat er die Entscheidung seiner Tochter aber akzeptiert. „Ich habe großes Glück, weil meine Eltern beide kein Problem damit haben, mit mir zusammen vegan zu kochen. Und sie essen es auch gerne.“
„Ich finde Bekehren ist die komplett falsch Herangehensweise.“
-Luisa Lieske
Luisas Mutter hatte schon vor der Entscheidung ihrer Tochter wenig Fleisch gegessen. Aber bei ihrem Vater glaubt Luisa bemerkt zu haben, dass auch er nun weniger Fleisch isst. Die beiden leben getrennt. Mal ist Luisa dort und kocht mit ihrer Mutter, mal ist sie hier und kocht mit ihrem Vater. Sie freut sich, dass sie einen gewissen Einfluss auf ihren Vater hat.
„Es ist schön, wenn man merkt, dass man seiner Umwelt einfach nur dadurch, dass man selbst vegan lebt, zeigen kann, dass es gar nicht kompliziert ist.“ Die Menschen mit dem Thema zu bekehren, liegt ihr nämlich fern. „Ich finde Bekehren ist die komplett falsche Herangehensweise“, sagt sie. Dieser Meinung war sie nicht immer. Im ersten Jahr hat sie intensiv versucht, die Menschen in ihrem Umfeld von der veganen Ernährung zu überzeugen und sie auf die andere Seite zu holen.

Sie weiß, dass sich damit nichts erreichen lässt. Und schon gar nicht, indem sie behauptet, dass diese Art der Ernährung die perfekte Lösung für alles ist. „Denn das stimmt ja nicht mal“, sagt sie. „Wenn die Leute zu mir kommen, erkläre ich ihnen, warum ich das mache, wie lange ich das mache und dass es eigentlich ganz einfach ist.“
Ganz einfach sind natürlich auch ihre vietnamesischen Sommerrollen. Und die werden beim Befüllen und Zusammenrollen mit jeder Rolle besser. Perfekte, durchsichtige, mit Gemüse, Tofu und Glasnudeln gefüllte Pakete. Jetzt stehen sie auf dem Tisch und sie nimmt eine in die Hand. In der anderen hält sie einen Teelöffel. „Normalerweise tunkt man die jetzt in die Erdnusssoße, aber sobald man einmal abgebissen hat, fällt die Füllung in die Soße. Deswegen tue ich immer mit einem Löffel etwas davon auf die Rolle und beiße dann dort ab“, beschreibt Luisa ihre Vorgehensweise beim Sommerrollenessen. Gesagt, getan. Nachdem etwas von der hellbraunen, zähflüssigen Soße auf der Rolle ist und beginnt, langsam Richtung Tischplatte zu fließen, beißt Luisa herzhaft zu. „Hmmmm….“, ist nur noch zu hören.
Von Annika Jensen