Er liebt das Leben auf dem Land

Jean Nikisch, 18 Jahre aus Karstädt (Prignitz): Schon als kleiner Junge hat Jean gewusst, dass er eines Tages Landwirt werden will. Vibriert der Motor in der Fahrerkabine des Traktors und staubt der Acker hinter ihm, ist er zu Hause. Und er will bleiben.

Das Schlimmste für Jean war früher immer, drinnen spielen zu müssen. Er rannte als Kind lieber draußen herum und schaute sich die großen Traktoren auf den Feldern an. Dabei stellte er sich vor, eines Tages selber mal so einen Traktor zu fahren und die Äcker zu bestellen. Damals begann seine Leidenschaft für die Landwirtschaft.

Inzwischen sitzt der 18-Jährige beinahe jeden Tag auf einem Trecker. Als Landwirt in der Ausbildung bei der Agrargenossenschaft Karstädt arbeitet er im Schichtdienst auf dem Feld. In der Fahrerkabine seines 175 PS starken John Deere blüht er so richtig auf. Wer Jean Nikisch wirklich kennenlernen will, muss mit ihm Trecker fahren. Wenn die schwere Maschine sich schnaufend durch die Erde walzt und der Pflug eine breite Furche zieht, lächelt Jean zufrieden. Hier ist er zu Hause.

 
Während er mit einer Hand die Hebel für die Pflugschar betätigt und sich die schweren Schaufeln tief in den Boden graben, hält er mit der anderen Hand das Lenkrad gerade, so dass der Traktor in der Spur bleibt. Dabei erklärt er, welche Fruchtfolge für die Erde am besten ist, damit die Pflanzen die meisten Nährstoffe erhalten. Es wirkt nicht so, als hätte Jean dieses Wissen gerade erst für seine bevorstehende Abschlussprüfung in der Berufsschule gelernt. „Ich wusste schon als kleiner Bengel, dass ich Landwirt werde. Das wurde mir wohl in die Wiege gelegt“, erklärt Jean.

Kein gutes Netz auf dem Acker

Wenn der Traktor sicher in der Spur liegt und es hunderte Meter nur geradeaus geht, holt Jean sein Smartphone hervor. Facebook checken, eine Nachricht an die Freundin – solange die Verbindung zum Internet steht, ist Jean auf seinem Traktor quasi nie alleine. Aber in den Weiten der Prignitz ist mit guter Netzabdeckung nicht zu rechnen. Deshalb surft Jean weniger im Internet und telefoniert lieber mit seinen Kollegen. Klaus fährt auf dem Nachbarfeld. „Ab und zu rufen wir uns mal an und fragen, wie es gerade so läuft“, sagt Jean. In ihrer Mittagspause parken sie ihre Traktoren dicht beieinander am Rande des Feldes und unterhalten sich durch die geöffneten Türen ihrer Fahrerkabinen.

Heute hat Jean seine Gabel Zuhause vergessen. So isst er eben nur Weintrauben zum Mittag. Der Salat, den er sich mitgenommen hatte, wird warm und muss bis zum Abend warten. Den Platz hinterm Fahrersitz direkt vor der Lüftung besetzt schon die Trinkflasche. „So bleibt das Wasser schön kühl“, sagt Jean und lacht. Er nimmt es gelassen, dass er nun hungrig weiterarbeiten muss. „Wenn es gar nicht mehr geht, fahre ich eben mit dem Trecker zu McDonalds, das hat immer offen.“ Das nächste Schnellrestaurant liegt allerdings 25 Kilometer entfernt, das wird mit dem Trecker heute wohl also nichts. Aber eigentlich bedeuten 25 Kilometer für Jean nichts. Als er mit 16 Jahren seinen Treckerführerschein gemacht hat, musste er über eine Stunde mit dem Zug fahren, umsteigen und schließlich noch drei Kilometer laufen, nur um an zwei Theoriestunden teilnehmen zu können.

Für den Beruf des Landwirts geboren

Man müsse eben wissen, wofür man arbeite, sagt Jean. In seinem Fall ist die Sache klar: „Ich arbeite für die Tiere, für den Betrieb und das Land.“ Um fünf Uhr früh aufstehen und auch bei Schnee und Eis die Kühe melken? „Wer jammert, der ist für den Beruf nicht gemacht“, sagt Jean knapp. Da die Azubis gemeinsam in einer WG auf dem Hof wohnen, passiert es nicht selten, dass sie mitten in der Nacht in den Stall gerufen werden, wenn sie mit anpacken müssen.

„Ich arbeite für die Tiere, für den Betrieb und das Land. Wer jammert, der ist für den Beruf nicht gemacht.“

Jean Nikisch

Jean ist der lebende Beweis dafür, dass junge Menschen in den Weiten der Mark Brandenburg eine Zukunftsperspektive sehen. Er liebt das Leben auf dem Land. Er wuchs mit drei Geschwistern im kleinen Örtchen Pritzerbe an der Havel in Potsdam-Mittelmark auf – als Nesthäkchen. Im Alter von 15 Jahren begann Jean seine Ausbildung zum Landwirt bei der Agrargenossenschaft Karstädt in der Prignitz. Auf dem Hof leben mehr als 3000 Kühe. Dazu gehören noch rund 3500 Hektar Acker- und Grünland. Das entspricht in etwa der Fläche von 5000 Fußballfeldern. „Für die Region ist das ein großer Betrieb, deutschlandweit gibt es aber noch viel größere“, erklärt Jean.


Brandenburg, ein Ackerland

Brandenburg ist durch ländliche, vorrangig dünn besiedelte Räume mit kleinen Dörfern und Kleinstädten geprägt.

Brandenburgs Landwirte bewirtschaften rund 1,3 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche und damit fast 45 Prozent der Bodenfläche im Land.

Die Fläche für Landwirtschaftsnutzung ist mit 68 Prozent in der Prignitz am größten, die Uckermark folgt mit fast 63 Prozent.

Es gibt in Brandenburg rund 5400 landwirtschaftliche Betriebe, von denen knapp die Hälfte im Haupterwerb wirtschaften, mit einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 245 Hektar.

38900 Landwirte bewirtschaften die landwirtschaftlichen Fläche in Brandenburg, wobei Tierhaltung vergleichsweise gering vorhanden ist. Die Beschäftigten machen damit rund drei Prozent aller Wirtschaftsbereiche im Land aus.


Jetzt, mit 18 Jahren, steht Jean kurz vor seiner Abschlussprüfung zum Landwirt. Der Betrieb will ihn halten. Schließlich bilde man für den eigenen Bedarf aus, erklärt der zuständige Ausbilder von der Agrargenossenschaft. Wenn alles glatt geht, möchte Jean eines Tages in der Prignitz ein Haus bauen. Aber so genau könne er das noch nicht planen.

„Wir arbeiten mit der Natur zusammen“

In seiner Lehre hat Jean alles gelernt, was ein Landwirt wissen muss. Er weiß, welche Aufwandmenge Dünger für eine bestimmte Kultur auf die Felder kommen muss, er kennt die genaue Zusammensetzung der Silage für die Milchkühe und er repariert selbstständig eine Pflugschar, wenn sich auf dem Acker mal eine Schraube gelöst hat. Sein Arbeitstag besteht regelmäßig aus zehn bis zwölf Stunden. Die Natur richtet sich nicht an Stundensätzen aus. „Wir arbeiten mit der Natur zusammen“, sagt Jean. Bevor Starkregen die Felder unter Wasser setzt und damit unbefahrbar macht, muss die Arbeit fertig sein, sonst war alles umsonst.

Ob Jean nicht auch mal langweilig wird auf dem Trecker? „Eigentlich nicht, denn jeder Meter Erde ist anders“, sagt Jean mit einem Schmunzeln. „Hier, pass auf, jetzt fahren wir wieder ins Loch!“, ruft er. Und der Motor heult auf. Die riesigen Reifen versinken jetzt etliche Zentimeter im Schlamm. Jean muss die Pflugschar schnell etwas anheben, damit der schwere Trecker nicht stecken bleibt. „Wer liegen bleibt, muss einen Kasten Bier ausgeben“, erklärt Jean. Ihm sei das aber tatsächlich noch nie passiert.

Romantischer Arbeitsplatz in der Landidylle

Als das Loch überwunden ist, erscheinen in wenigen hundert Metern Entfernung ein paar Rehe auf dem Feld. Sie grasen friedlich an einer Böschung und lassen sich durch die Bauern nicht stören. Während die Sonne langsam hinter dem Horizont verschwindet, dreht Jean zwischen Rehen und Wasserlöchern immer noch seine Runden auf dem Feld. Wer kann schon behaupten, so einen romantischen Arbeitsplatz zu haben?

Von Jonas Nayda