„Man fühlt sich nirgendwo fremd“

Ireen Beyer, 17 Jahre aus Groß Machnow (Teltow-Fläming) ist engagiert, entscheidet mit im Landesschülervorstand. In ihrer Klasse gilt sie als Nerd. Das sei heute nichts Negatives mehr, sagt sie.

Ireen Beyer kann nicht schlafen, wenn sie die S-Bahn fahren hört. Die 17-Jährige ist die Ruhe und Beschaulichkeit eines 1300-Einwohner-Dorfes gewohnt. Kurz vor ihrer Geburt im März 2001 kauften ihre Eltern das Haus in Groß Machnow (Teltow-Fläming). „Meine Mutter kommt aus Mahlow“, erzählt Ireen Beyer, „mein Vater ist oft umgezogen, aber lebte fast immer in Brandenburg.“ Die Nähe zu den Großeltern und den Arbeitsplätzen war ausschlaggebend. Ireen Beyer würde es heute genauso machen wie ihre Eltern vor 17 Jahren. Ihr gefällt das Familiäre im Ort und dass sie nicht weit fahren muss, um dorthin zu kommen, „wo was los ist“.

Die Grundschule hatte Ireen Beyer sechs Jahre lang quasi direkt vor der Tür. Heute fährt sie 15 Minuten mit dem Fahrrad zum Gymnasium in Rangsdorf. „Wenn ich zum Studieren wegziehe, wird es mir fehlen, dass man überall mit dem Fahrrad hinkommt“, sagt Ireen Beyer. An ihrer Heimat Brandenburg liebt sie die Natur. Und: „Egal wo man in Brandenburg hingeht“, sagt sie, „man fühlt sich nirgendwo fremd“.

Mit 17 Jahren schon ziemlich vernünftig

Noch hat die Elftklässlerin ein Jahr lang Zeit für die Entscheidung, wo es nach dem Abitur hingehen soll. Eines ist schon jetzt sicher: Was sie an Brandenburg nicht vermissen wird, sind die langen Fahrtzeiten im Zug. Denn Ireen Beyer ist viel unterwegs im Land. Einmal im Monat trifft sie sich mit dem Landesschülerrat in Potsdam. Dort hat sie auch ihren Freund kennengelernt. Eineinhalb Stunden dauert die Zugfahrt zu ihm nach Finsterwalde. „Das nervt“, sagt Ireen Beyer. „Und die Fahrpreise erst. In Berlin kommt man für 3,40 Euro fast überall hin.“

Als Vorstandsmitglied des Landesschülerrats hat sie die Möglichkeit, solche Themen anzusprechen. Auch wenn nicht jeder Vorstoß von Erfolg gekrönt ist, können Ireen und die 35 weiteren Delegierten Errungenschaften vorweisen. Die größte: Die Wiederholung des Mathe-Abiturs 2017. Einige Schüler aus dem Rat waren selbst betroffen, der Draht zum Ministerium relativ kurz und – viel wichtiger – die Jugendlichen waren im Recht. „Ohne den Landesschülerrat wäre das Mathe-Abi nicht so schnell nachgeschrieben worden.“ Da ist sich Ireen Beyer sicher.

Ein Jahr später dominieren andere Themen die ehrenamtliche Arbeit: Digitalisierung, die Forderung nach kostenlosem Trinkwasser in allen Schulen. „Auch für Toleranz und gegen Diskriminierung setzen wir uns ein“, sagt die Elftklässlerin.

In ihrer Klasse gilt Ireen Beyer als Nerd. „Das ist heute nichts Negatives mehr“, erklärt sie. Die engagierte Schülersprecherin ist belesen, hat gute Noten und weiß auch in Fragen abseits des Unterrichts Rat. Sie selbst beschreibt sich lieber als vernünftig. „Obwohl man das in meinem Alter noch gar nicht sein muss“, weiß sie. Auf Partys gehen, auch mal Alkohol trinken – ihre Eltern lassen ihr Freiheiten, die andere Jugendliche schamlos ausnutzen würden.

„Jeder Mensch hat in der Gesellschaft Verantwortung“

Ireen Beyer aber ist umweltbewusst, achtet auf Mülltrennung, ist Vegetarierin seit der fünften Klasse. „Gar nicht so einfach, wenn man noch bei den Eltern wohnt“, sagt sie. Mehrere Monate hat sich Ireen auch in der Flüchtlingshilfe engagiert. Durch den Kontakt zu älteren Jugendlichen hat sie im Landesschülerrat viel „fürs Leben gelernt“, erklärt sie. Vielleicht ist sie deshalb so vernünftig. „Jeder Mensch hat in der Gesellschaft die Verantwortung, etwas zu tun“, sagt sie.

„Wenn alle am Abend nur Netflix gucken und nichts tun würden, das wäre doch kein Leben“

Ireen Beyer

Derzeit führt Ireen Beyer den Schülersprecher-Nachwuchs aus Rangsdorf an die Arbeit des Gremiums auf Landesebene heran. Auch später, wenn sie mit der Schule fertig ist, will sie sich weiterhin ehrenamtlich engagieren. „Wenn alle am Abend nur Netflix gucken und nichts tun würden, das wäre doch kein Leben“, erzählt sie. „Dorffeste, Osterfeuer, nichts davon würde passieren.“

Ob sie sich in Zukunft zu Hause oder in einer neuen Heimat engagieren will, weiß sie noch nicht. Nur ins Ausland möchte sie erst einmal nicht, im Gegensatz zu so vielen anderen Abiturienten. Weil es den jungen Schulabgängern an Erfahrung und Kompetenz fehlt, können sie im Ausland nichts Langfristiges schaffen, findet Ireen. Als Beitrag zur Gesellschaft würde ihr das persönlich nicht reichen. „Wenn ich helfe, dann will ich richtig helfen“, sagt sie.

„Jugend wird von Eltern oder Lehrern oft unterschätzt“

Vielleicht setzt sich Ireen Beyer künftig ja wieder für Jugendliche ein. Ihr Studienwunsch Pädagogik würde das sogar professionell ermöglichen. „Es ist ein Berufsfeld mit Zukunft“, erklärt sie die Wahl, auf die sie ihr Vater brachte, der als Erzieher arbeitet. Nach dem Abschluss könnte sie als Lehrerin arbeiten, im Jugendamt oder mit Kindern. Denn eins weiß die 17-Jährige schon lange: „Die Jugend wird von Eltern oder Lehrern oft unterschätzt. Dabei sind viele Jugendliche in Brandenburg ganz schön krass unterwegs.“

Von Victoria Barnack