„Meine Freizeit für eure Sicherheit“
Stanley ist jetzt ehrenamtlicher Mediator bei der Freiwilligen Feuerwehr. Nach 120 Seminarstunden kann er nun auch dort helfen, wo Martinshorn und Rettungssäge nutzlos sind.
Es herrscht großes Gewusel in der Oranienburger Feuerwehr: Tische werden zu großen Tafeln zusammengerückt und Spießchen auf Silbertabletts hereingebracht. Das Licht des Beamers strahlt nur knapp am Stehtisch in einer roten Husse vorbei. Am 19. Januar heißt der Landesfeuerwehrverband seine Männer und Frauen in großen schwarzen Buchstaben „Herzlich Willkommen“.
Die Feuerwehr in Brandenburg
Der Landesfeuerwehrverband Brandenburg hat rund 40.000 Mitarbeiter in 27 Feuerwehren, die sich für den Schutz und die Sicherheit ihrer Mitmenschen einsetzen.
Davon sind mit 38.000 Helfern rund 95% Ehrenamtliche. Ihre Aufgaben: Retten, Löschen, Bergen – aber auch Brandschutzerziehung, Fachberatung und Öffentlichkeitsarbeit. Ihr Antrieb: Gemeinschaft und Solidarität.
Geschulterte Sterne und angelegte Orden schmücken die schwarzen Ausgehjacketts der hochrangigen Gäste. Während rot-weiße Verbandswimpel unruhig auf den Tischen schwingen, steht Stanley gelassen am Eingang. Kurz bevor den frischgebackenen Mediatoren der Feuerwehr feierlich die Urkunden überreicht werden, richtet Stanleys Mutter ihm den hellblauen Hemdkragen.
Ob seine Familie stolz auf ihn ist? „Hoffentlich nicht, das ist doch ganz normal“, sagt Stanley, der immer noch völlig unaufgeregt am Rand des Raumes auf seine Urkunde wartet. Seine Mutter Ramona ist trotzdem stolz, als ihr Sohn die Urkunde erhält. „Ich bin sehr glücklich, welche Entwicklung Stanley gemacht hat“, sagt sie.
Ohne Blaulicht zum Einsatz
Stanley ist nun ehrenamtlicher Mediator der freiwilligen Feuerwehr. In 120 Seminarstunden wurde er im Projekt „Ohne Blaulicht“ dazu ausgebildet, auch dort zu helfen, wo Martinshorn und Rettungssäge nutzlos sind: Bei Konflikten zwischen den Helfern der Feuerwehr. „Wer ehrenamtlich beraten will, braucht jemanden, der auch mit Herz und Wille Ehrenamtler ist, die Leute versteht und einen Draht zu ihnen hat und zeigt, dass es auch anders geht“, sagt Ludwig Schäler-Bode vom Projekt „Ohne Blaulicht“.
Als die Sektgläser beim Anstoßen klingen, hat auch Stanley eines in seiner Hand. Normalerweise trinkt er nicht, aber die Stimmung ist ausgelassen. Seine Großeltern, Mutter und sein Onkel erzählen Anekdoten über Stanley genauso wie die Freiwilligen der Feuerwehr. Sie alle haben ihn in der Feuerwehr aufwachsen sehen.
„Mit fünf Jahren hatte er fürchterliche Angst vor den großen Feuerwehrautos“, erzählt Stanleys Mutter. Ihm gefiel die Feuerwehr nie. Er wollte lieber Pilot oder Polizist werden. Weil es aber keine freiwillige Polizei gibt, hat er sich von einem Freund die Feuerwehr zeigen lassen. Mit neun Jahren ist der heute 19-Jährige dann eingetreten. „Eigentlich zufällig“, wie er sagt.
Klatschende Hände, geschüttelte Hände, Fotos mit Urkunde – nicht das, was Stanley will. „Das hier ist eine Spaßveranstaltung“, sagt er lächelnd zwischen Sekt und Häppchen. Er will lieber dahin, wo es brennt. Wenn Menschen Hilfe brauchen, will er da sein.
Es war wieder der Zufall, der ihn zum ehrenamtlichen Mediator machte: „Ich habe mir nur halb den Aushang durchgelesen und dachte mir, Kommunikation klingt gut – das machen wir mal. Während des Seminars wurde ich dann überrascht, dass ich Mediator werde. Das will ich zwar gar nicht, aber jetzt ist es eh zu spät“, erklärt Stanley achselzuckend.
„Zur Feuerwehr kann jeder, aber man einigt sich auf die Werte der Feuerwehr“
Stanley Moewes
Feuerwehren haben oft mit dem Ruf zu kämpfen überwiegend männlich, konservativ und weniger weltoffen zu sein. Das sieht Stanley anders. Ernsthafte Konflikte hat er bis heute nicht erlebt. „Das traut sich keiner, weil jeder weiß, was der Andere kann“, sagt er. „Zur Feuerwehr kann jeder, aber man einigt sich auf die Werte der Feuerwehr, egal ob man dunkel oder hell, ob links oder rechts, schwul, lesbisch oder asexuell ist“, sagt Stanley, der seine Homosexualität offen lebt. Am Wichtigsten sind ihm das blinde Vertrauen, die Kameradschaft über die Feuerwehr hinaus und der Wille helfen zu wollen.
„Im Idealfall läuft der Einsatz ohne Verletzte ab. Wenn es noch idealer läuft, macht man danach noch etwas gemeinsam“, sagt Stanley, der seine Freizeit bei Dortmundspielen oder dem Blubbern seiner Shisha verbringt. Doch so beruhigend das Blubbern der Wasserpfeife wirkt, Stanley ist immer bereit für einen Einsatz. Ob Tag oder Nacht, sein Pieper liegt immer in Hörweite und wenn er alarmklingelt, rast Stanley los.
Wenn Stanley von der Feuerwehr spricht, redet er nicht nur von einem Ehrenamt. Er redet auch von Arbeit. Er will Berufsfeuerwehrmann in Hamburg werden und sieht die Einsätze und die Ausbildung zum Mediator auch als Vorbereitung darauf. Wie ernst er das nimmt, zeigen die gefahrenen Einsätze: Etwa 80 Mal ist seine Wache im Jahr 2018 ausgerückt. Stanley war fast immer dabei. „Meine Freizeit für eure Sicherheit“, sagt er als wäre es selbstverständlich. Für Stanley ist es das.
Von Jan Russezki