Am liebsten auf den weiten Feldern
Jetzt gehört Jean Nikisch nicht mehr zu den Frischlingen. Er fährt nun die 300 PS starken Traktoren. Die, die „richtig nach was klingen“, wie er erklärt. In seiner neuen Wohnung kann er den Feierabend endlich genießen. Und vom ersten Gehalt hat er im Sommer Urlaub gemacht, in Bulgarien am Schwarzen Meer.
Heute ist wieder Alltag. Jean muss noch einige Bahnen mit seinem Traktor ziehen, bevor er Feierabend machen kann. Manchmal hat er schon einen der neuen Lehrlinge aufs Feld mitgenommen und ihnen gezeigt, worauf sie bei den schweren Landmaschinen achten müssen. Was schiefgehen kann, hat er kürzlich am eigenen Leib erfahren, denn Jean ist vor ein paar Monaten einmal stecken geblieben. Für die Kollegen, die ihn aus dem Schlamm gezogen haben, hat er einen Kasten Bier spendiert.
In den letzten Monaten ist viel passiert bei Jean. Zuerst die Führerscheinprüfung, dann die Abschlussprüfung der Ausbildung musste er hinter sich bringen. Beides hat der Landwirt auf Anhieb bestanden. Direkt nach seiner Lehre hat er von der Agrargenossenschaft Karstädt in der Prignitz einen unbefristeten Vertrag angeboten bekommen, den er unterschrieben hat. Aus der Lehrlings-WG auf dem Hof der Genossenschaft musste er dann zwar ausziehen, aber er hat eine kleine Wohnung gefunden – nur zwei Autominuten von seiner Arbeit entfernt.
„Die Kabine meines Traktors ist mein absoluter Lieblingsplatz“
Jean ist mit der Situation sehr glücklich, er strahlt über das ganze Gesicht. Gerade sitzt er in der Kabine eines 300-PS-John-Deere. Im Trecker auf dem Acker ist Jean die meiste Zeit des Tages, hier fühlt er sich wohl, das ist der Ort, an dem er am liebsten Zeit verbringt. „Die Kabine meines Traktors ist mein absoluter Lieblingsplatz“, sagt der 19-Jährige. Draußen an der frischen Luft, umgeben von Feldern und Natur, blüht der junge Mann richtig auf. „Ich könnte nicht den ganzen Tag im Büro sitzen“, sagt er. „Ich bin lieber draußen.“ Die Klimaanlage und der gefederte Sitz machen seinen Arbeitstag noch besser erträglich. Nach Feierabend hängen einige Karstädter Jugendliche noch vor dem Supermarkt herum. Für Jean ist das nichts. „Auf so was hab ich keine Lust“, sagt er. Lieber verbringt er seine Freizeit gemeinsam mit seiner Freundin. Dann gehen sie spazieren oder schauen gemeinsam Fernsehen.
„Ich könnte nicht den ganzen Tag im Büro sitzen, ich bin lieber draußen“
Jean Nikisch
Am Morgen um sieben Uhr hat der Landwirt angefangen, ein abgeerntetes Maisfeld zu eggen. Während der Fahrt ist ein großer Metallteller von der Egge abgefallen. Zum Glück hat Jean den Schaden sofort bemerkt, das kaputte Teil eingesammelt und beim Hof angerufen. Wenige Minuten später kam ein Kollege mit Werkzeug und Ersatzteilen. Gemeinsam haben die Männer die Egge am Rand des Feldes repariert, jetzt hält hoffentlich alles. Jean sagt, die Egge, mit der er arbeitet, sei älter als er selbst. „So etwas passiert eben ab und zu“, meint er zu dem kleinen Schaden. Materialverschleiß, wahrscheinlich hatte sich eine alte Schraube gelöst.
Alt werden in der Prignitz? Jean kann es sich gut vorstellen. „Hier habe ich eigentlich alles, was ich brauche“, sagt er. „Gute Arbeit, berufliche Zukunft und meine Freundin könnte es sich auch vorstellen.“ Die nächsten Ziele: Ein großes Boxspringbett und später dann ein neues Auto. Mit seinen 19 Jahren wirkt der junge Landwirt schon wie jemand, der tatsächlich angekommen ist.
Von Jonas Nayda